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»Dezemberfieber«: von den Sowjets lernen…

Von Lars E.

Letzte Aktualisierung am: 16. April 2024

Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten

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»Dezemberfieber«: von den Sowjets lernen…
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Im vorigen Beitrag an dieser Stelle haben wir dargestellt, warum sich Entscheidungsträger oft recht seltsam verhalten und unmittelbar vor dem Jahresende noch alle verfügbaren Mittel unbedingt ausgeben müssen. Das sogenannte Dezemberfieber führt zu einer suboptimalen Faktorallokation, also tendenziell zu Verschwendung nach vorherigem Geiz.

Als Grund hierfür haben wir „Management by Exception“ (MbE) als Führungsmodell identifiziert. Dabei gibt es eine ganz einfache Lösung für dieses Problem:

Die budgetierten Lügen

Entscheidungsträger neigen vielfach, und nicht nur aus Angst, zu Unehrlichkeit. Das MbE-Modell verstärkt dies, denn gibt ein Verantwortlicher zu, daß etwas „Ungewöhnliches“ geschieht, so riskiert er nicht nur eine Kontrolle von oben (das „Hereinregieren“), also einen eigenen Autoritätsverlust, sondern u.U. auch „Zufallsfunde“ durch den Vorgesetzten und damit weitere Einschränkungen seiner Macht gegenüber den nachgeordneten Stellen. Dies sucht jede Führungskraft zu vermeiden. Das Lügen ist damit eine erfolgversprechendere Strategie zum eigenen Machterhalt als uneingeschränkte Ehrlichkeit.

Während also der konkret für etwas Verantwortliche meist selbst ganz genau weiß, wie es um seinen Kompetenzbereich steht, werden Informationen in Berichten gefiltert, verzerrt oder, drastischer gesagt, es wird gelogen. Dies führt dazu, daß die obere Leitungsinstanz viel weniger über das tatsächliche Geschehen weiß, als sie eigentlich wissen müßte, um die Vision der Unternehmung umzusetzen. Es besteht also Bedarf nach einem Mittel, die Ehrlichkeit im Berichtswesen zu fördern. Moralische Aufrufe verpuffen hierbei meist wirkungslos. Wie aber kommt man zu einer ehrlichen Führungskraft?

Neue Anreizmuster

Hier können neue Anreizmuster diskutiert werden, die zu neuen Handlungsweisen führen, denn Eigennutz dürfen wir auch dem ehrlichen Manager unterstellen. Das gilt insbesondere für monetäre Anreize, die direkt aus den Abweichungen zwischen berichteter und wirklicher Größe resultieren. Sie sind eine Art „Ehrlichkeitsprämie“. Kerngedanke ist, daß eine verantwortliche Führungskraft Daten und Zahlen genau kennt, aber geschönt berichtet. Solche Abweichungen lassen sich durch eine Revision auffinden und werden dem Verantwortlichen zur Last gelegt, führen also zu einer Minderung seines Entgeltes. Grundlage ist hierbei meist ein Management-by-Objectives-Modell, das verbindliche Zielvorgaben festschreibt, die in Zusammenarbeit mit der jeweils verantwortlichen Person (und damit in ihrem Kompetenzbereich) erarbeitet werden. Entstehen spätere Divergenzen, so mindern diese das Entgelt des Verantwortlichen – falls er diese Abweichungen zu verantworten hat. Die Führungskraft erhält also eine positive Prämie auf die (vorgegebene, geplante) Zielerreichung, aber einen Abzug auf (negative) Abweichungen, also suboptimale Zielerreichung. Das Modell wurde erstmals von Weitzmann als „New Soviet Incentive Model“ beschrieben – denn es ist eine Erfindung der sowjetischen Planungsbehörde!

Eine Erfindung der Planwirtschaft

Ausgerechnet die Sowjets! Der Zusammenhang mit dem Sozialismus und seiner ausufernden Planwirtschaft ist jedoch gar nicht so weit hergeholt, denn auch im Osten Deutschlands ist vielfach noch sehr wohl bekannt, daß kaum jemals so viel gelogen wurde wie vor einer Hochzeit, nach einer Jagd oder während eines Parteitages. Was im Rahmen der Politik auf die wiederum planwirtschaftlichen Verhältnisse der Gegenwart übertragbar ist, „paßt“ auch gut auf unternehmerische Strukturen, wo es auf Budgetberatungen ganz offensichtlich mit der Wahrheit ebensowenig genau genommen wird wie auf Parteitagen.

Von den Sowjets lernen…

Von den Sowjets lernen heißt bekanntlich siegen lernen: das Motto der einstigen Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft der DDR ist aktueller als man denken mag. Nicht alles, was im Osten ausgedacht wurde, ist schlecht. Das gilt insbesondere für sozialistische Management-Modelle, denn die Menschen sind nicht besser geworden, weder hüben noch drüben. Man muß die Menschen nehmen, die man kriegt – mit all ihren Fehlern und Macken. Das wußte auch schon die sowjetische Planbehörde.

Quellen:

  • gruenderlexikon.de
  • Management by Exception: Das »Dezemberfieber« | Skript zur Organisationstheorie | Zingel, Harry, „Budgetplanung“, Weinheim 2007, ISBN 978-3-527-50292-9, Amazon.de | Weitzman, M.L., „The New Soviet Incentive Model“, in: „Bell Journal of Economics“, 1976, vol. 7, no. 1, pp. 251-257.

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Über den Autor

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Lars E.

Lars schloss 2015 sein Studium in Betriebswirtschaftslehre ab. Anschließend absolvierte er ein Volontariat in einer kleinen Kölner Redaktion. Seit 2017 ist er fester Bestandteil des Redaktionsteams von betriebsausgabe.de. Hier kann er sein fachliches Wissen mit dem Anspruch, verständliche Texte rund ums Steuerrecht zu schreiben, miteinander kombinieren.

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