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Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG): Eckpunkte der anstehenden Reform

Von Lars E.

Letzte Aktualisierung am: 31. Januar 2022

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

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Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG): Eckpunkte der anstehenden Reform
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Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) wurde insgesamt neu gefaßt, so daß die alte Gesetzesversion von 1909 endlich der Vergangenheit angehört. Das deutsche „Lauterkeitsrecht“ wurde im Rahmen dieser Reform gegen ein zeitgemäßes Wettbewerbsrecht ersetzt, das auch unerwünschte EMailwerbung („Spam“), nervende Faxwerbung und Telefonwerbung verbietet. Hintergrund ist hier insbesondere Artikel 13 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (ABl. L 201/37 vom 31.07.2002). Diese Darstellung bezieht sich nur noch auf den neuen Rechtsstand.

§1 UWG definiert nunmehr Verbraucherschutz als Zweck des Gesetzes; zugleich soll das Gesetz aber das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb schützen, was schon ein grundsätzliches Abweichen vom obrigkeitsrechtlichen Ziel der „Ruhe“ des alten kaiserlichen Gesetzes ist.

Wie es bei modernen Gesetzen der Fall ist, beginnt das Gesetz dann mit einleitenden Definitionen. „Wettbewerbshandlung“ ist gemäß §2 Abs. 1 Nr. 1 UWG jede Handlung einer Person mit dem Ziel, zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens den Absatz oder Bezug von Waren oder die Erbringung oder den Bezug von Dienstleistungen zu fördern. Marktteilnehmer sind hierbei neben den Konkurrenten auch die Verbraucher (§2 Abs. 1 Nr. 2 UWG), was die umfassende Ausrichtung des Gesetzes demonstriert: alles, was irgendwie mit Kaufen oder Verkaufen zu tun hat, ist „Wettbewerbshandlung“, sofern es beruflich oder gewerblich ist. „Mitbewerber“ ist, wer in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht (§2 Abs. 1 Nr. 3 UWG), also im Effekt gleichartige Waren oder Leistungen anbietet oder bezieht.

Für den Verbraucherbegriff gelten gemäß §3 UWG die §§13, 14 BGB, was bedeutet, daß Unternehmer ist, wer aus beruflichen oder gewerblichen Motiven handelt, Verbraucher hingegen jede andere Person ist. Diese Orientierung am bürgerlichen Recht ist zeitgemäß und sinnvoll, weil sie der Vereinheitlichung des Rechts dient und die überfällige Abschaffung der Unterscheidung in Gewerbe und Beruflichkeit vorwegnimmt.

In §4 UWG werden nunmehr die einzelnen Tatbestände unlauteren Wettbewerbes aufgezählt. Das unterscheidet sich grundsätzlich von der alten, viel unsystematischeren Gesetzesversion, die für jede Art unlauteren Handelns einen eigenen Bereich von §§ vorsah. Grundsätzlich sind Wettbewerbsverstöße immer noch Konkretisierungen zu §138 BGB („gute Sitten“) und §§823ff BGB (deliktischer Schadensersatz). Die Regelungen sind nunmehr aber viel übersichtlicher. Insbesondere konkretisiert der neue §4 UWG als „unlauter“, also als Wettbewerbsverstoß:

  • Verbraucher durch Ausüben von Druck durch Wettbewerbshandlungen in ihrer Entscheidungsfreiheit zu beeinträchtigen,
  • die geschäftliche Unerfahrenheit insbesondere von Kindern und Jugendlichen, die Leichtgläubigkeit oder Angst oder die Zwangslage von Verbrauchern auszunutzen,
  • den Werbecharakter von Wettbewerbshandlungen zu verschleiern,
  • bei Verkaufsförderungsveranstaltungen Preisnachlässe, Geschenke usw. zu verschleiern oder die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme nicht klar zu kennzeichnen,
  • bei Preisausschreiben oder Gewinnspielen die Teilnahmebedingungen nicht klar und eindeutig angeben oder die Teilnahme vom Erwerb einer Ware abhängig machen,
  • die Kennzeichen, Waren oder Leistungen oder persönlichen Verhältnisse von Konkurrenten verunglimpfen,
  • unwahre Tatsachen über Waren, Leistungen oder Unternehmen von Mitbewerbern behaupten oder verbreiten, die geeignet sind, den Betrieb des Konkurrenten oder seinen Kredit zu schädigen, soweit diese Behauptungen nicht erweislich wahr sind, was der Definition der Verleumdung in §187 StGB entspricht,
  • die Nachahmung von Waren oder Leistungen von Konkurrenten,
  • die gezielte Behinderung von Mitbewerbern und
  • sonstige Gesetzesverstöße nach anderen Rechtsnormen.

Diese neue umfassende Regelung ersetzt alle bisherigen Vorschriften. So sind etwa

  • der bisher allen Ernstes noch immer (!) verbotene Verkauf von Konkurswaren oder
  • die bisher grundsätzlich verbotenen Sonderveranstaltungen, die nur als die sogenannten Schlußverkäufe erlaubt waren,

nunmehr grundsätzlich erlaubt, d.h., diesbezügliche Regelungen sind entfallen. Auch der alte §6c UWG, der das sogenannte Multi Level Marketing verbot, ist entfallen; die typischen Werbemethoden der Pyramidenspieler finden sich aber nunmehr im §4 UWG, so daß diese unseriöse Vertriebsform tatsächlich immer noch verboten ist. Das neue Gesetz zielt nicht mehr, wie das alte UWG, auf die grundsätzliche Zerschlagung der Strukturvertriebe unter Nichtkaufleuten, legt diesen aber möglicherweise strengere Seriositätskriterien auf, so daß der Betrieb eines Multi Level Marketing Systems im Rahmen des neuen UWG faktisch kaum möglich sein dürfte. Wie es mit der Durchsetzung der neuen Vorschriften aussieht, bleibt abzuwarten.

§5 UWG enthält jetzt Vorschriften über irreführende Werbung, die grundsätzlich auf einer Gesamtbetrachtung aller Bestandteile der Werbemaßnahme beruhen (§5 Abs. 2 UWG). Hier sind insbesondere Merkmale der Waren, ihrer Verfügbarkeit usw., des Anlasses des Verkaufes, des Preises und der geschäftlichen Verhältnisse des Werbenden zu berücksichtigen. Irreführend können nach §5 Abs. 3 bis 5 insbesondere das Verschweigen von Tatsachen, Bilddarstellungen, kurzfristige Preisherabsetzungen oder tatsächlich gar nicht oder nur in unzureichender Menge verfügbare Waren sein.

Vergleichende Werbung ist gemäß §6 UWG weiterhin erlaubt; allerdings darf sich der Vergleich nur auf Waren gleicher Zweckbestimmung beziehen, muß sich auf objektiv nachprüfbare Eigenschaften oder den Preis der Ware beziehen („Wahrheitsanforderung“), darf Verwechslungen nicht fördern, die Wertschätzung des Wettbewerbers nicht beeinträchtigen und keine Imitation von Waren, Leistungen oder Marken enthalten.

Besonders interessant sind die Neuregelungen zur „unzumutbaren Belästigung“ in §7 UWG. Eine „unzumutbare Belästigung“ ist insbesondere anzunehmen, wenn der Adressat einer Werbung diese erkennbar nicht wünscht, Fax-, SMS-, Telefon- oder EMailwerbung nicht zugestimmt hat oder bei EMailwerbung, die im Auftrag eines Werbenden verschickt wird, die Identität dieses Auftraggebers verschleiert wird. Im Effekt ist diese Regelung eine Verbot von Spam, was zwar von ganzem Herzen erwünscht, freilich aber kaum durchsetzbar ist, weil die allgemein bekannte weil milliardenfach verschickte Werbung für Penisverlängerung oder Viagra zumeist aus dem Ausland kommt, die Kanonen des Gesetzes aber nur bis an die deutschen Grenzen schießen. Dennoch ist auf einen Rückgang von insbesondere auf den nationalen Markt begrenzten Spam-Werbemaßnahmen zu hoffen, beispielsweise per Fax oder SMS.

§7 Abs. 3 enthält Regelungen, wann eine unzumutbare Belästigung nicht anzunehmen ist, nämlich bei Vorliegen der Zustimmung des Adressaten der Werbung oder wenn der Kunde nicht widersprochen hat. Hier werden sich vermutlich Diskussionen um die Zulässigkeit der jeweils einzelnen Maßnahme entwickeln. Wie restriktiv die Rechtsprechung diese Vorschriften anwendet, bleibt abzuwarten.

§§8ff des Gesetzes enthalten die Rechtsfolgen der Wettbewerbsverstöße, die insbesondere Beseitigung der Beeinträchtigung und Unterlassen sowie Schadensersatz sind. Das entspricht wiederum dem bürgerlich-rechtlichen Deliktrecht. Hinzu kommt jedoch Gewinnabschöpfung (§10 UWG). Bei Zuwiderhandlungen durch Mitarbeiter richten sich diese Ansprüche gegen den Inhaber des Unternehmens. Anspruchsberechtigt sind (§8 Abs. 3 UWG) alle Mitbewerber, rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, soweit ihnen eine „erhebliche“ Zahl von Unternehmen angehört, und „qualifizierte Einrichtungen“ aus der Liste nach §4 UKlaG, sowie die Industrie- und Handelskammern.

Diese Ansprüche verjähren in sechs Monaten ab Kenntniserhalt, insgesamt aber innerhalb von drei Jahren, was wiederum eine Anwendung der allgemeinen Verjährung nach §§195 BGB ist.

Die §§12 bis 15 enthalten die Verfahrensvorschriften; insbesondere werden gemäß §15 UWG Einigungsstellen vor den Industrie- und Handelskammern eingerichtet, was offensichtlich ein vorgerichtliches Verfahren zur Ermöglichung kostengünstiger gütlicher Einigungen einrichten soll – eine offenbar sehr sinnvolle Konstruktion, die möglicherweise die Gerichte entlasten könnte.

In den §§16ff finden sich separate Strafvorschriften. Strafbare Werbung (§16 UWG) liegt vor bei Lügen in der Werbung, und ist mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bedroht; verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie Werkspionage (§17 UWG), das Verleiten oder Erbieten zum Verrat (§19 UWG) und die unerlaubte Verwertung von Vorlagen (§18 UWG) sind nach wie vor strafbewehrt.

Insgesamt leitet das neue UWG eine längst überfällige Reform ein. Das Wettbewerbsrecht wir zeitgemäßer, moderner, übersichtlicher und leichter anwendbar. Moderne Übel des kommerziellen Wettbewerbes, die jeder kennt, der ein EMail-Konto besitzt, werden endlich auch juristisch angegangen; wie effektiv das ist, bleibt abzuwarten. Das Gesetz muß allerdings im Mai noch durch den Bundesrat; mit einer Zustimmung des Bundesrates wird gerechnet, schon wegen der Umsetzung einer EU-Richtlinie, die für den deutschen Gesetzgeber nicht diskutabel ist.

Die Liberalisierung des Wettbewerbsrechts könnte damit auch den Wettbewerb um den Kunden intensivieren und eine Entwicklung hin zur kundenorientierten Dienstleistungsgesellschaft auch in Deutschland fördern. Die Abschaffung von Zugabeverordnung und Rabattgesetz waren erste Schritte in diese Richtung; die Reform des UWG wird ein neuer, wesentlicher Fortschritt sein. Wenn der Gesetzgeber es jedoch wirklich ernst meint, kann auch dies erst der erste Schritt auf einem langen Weg sein: Pflichtfahrgebiete, also Kontrahierungszwang für Taxen, staatlich genehmigte Festpreise im Personenverkehr, Zwangsaufkauf von „Ökostrom“ durch die Netzbetreiber weit über dem Steckdosenpreis und nicht zuletzt die derzeitige Einführung der Planwirtschaft im Gesundheitswesen – der Weg zurück in die Marktwirtschaft, aus der Deutschland sich schon mit den kaiserlichen Wettbewerbsverhinderungsgesetzen verabschiedet hat, ist lang, beim derzeitigen Reformtempo vielleicht länger als die Zeit seit dem Ende der wilhelminischen Epoche.

Quellen: gruenderlexikon.de

Bildnachweise: © Saklakova/Fotolia.com

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Über den Autor

Autor
Lars E.

Lars schloss 2015 sein Studium in Betriebswirtschaftslehre ab. Anschließend absolvierte er ein Volontariat in einer kleinen Kölner Redaktion. Seit 2017 ist er fester Bestandteil des Redaktionsteams von betriebsausgabe.de. Hier kann er sein fachliches Wissen mit dem Anspruch, verständliche Texte rund ums Steuerrecht zu schreiben, miteinander kombinieren.

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