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Das »Dezemberfieber«

Von Lars E.

Letzte Aktualisierung am: 16. Februar 2022

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

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Das »Dezemberfieber«
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Das Jahr neigt sich dem Ende zu, und während die Kinder auf Weihnachten warten, und der Handel auf das Weihnachtsgeschäft, bricht in den öffentlichen Verwaltungen aber auch in großen Unternehmen eine ganz eigene Krankheit aus: das Dezemberfieber. Mit ungekannter Hektik werden plötzlich Gelder lockergemacht und einst knausigere Controller werden auf einmal unerwartet freigiebig. Was ist da passiert? Der BWL-Bote auf Krankenbesuch, oder die Ätiologie der Management-Fehler:

Budgetplanung und MbE

Unternehmen und öffentliche Stellen planen mit periodenbezogenen Wertgrößen. In der Wirtschaft spricht man hier vom Budget und beim Staat vom Haushalt. Organisatorischen Teileinheiten werden Summen zugewiesen, über die sie frei verfügen können, die aber bei Überschreitung Gegenstand einer Revision von oben werden. Dahinter steckt meist das sogenannte „Management by Exceptions“ (MbE): der Bereichsverantwortliche darf nur in „normalen“ Situationen frei entscheiden. Was immer Außergewöhnliches passiert, muß nach oben berichtet werden, und führt zu Eingriffen vorgesetzter Stellen. Eine Budgetüberschreitung, oder ein gesprengter Haushalt, ist eine solch außergewöhnliche Situation.

Die führt im Sinne der Management-by-Exception-Führung zu Sonderberichten, und damit möglicherweise zu Eingriffen der vorgesetzten Stelle. Das suchen die Bereichsverantwortlichen zu vermeiden. Die für die jeweilige Mittelsumme Verantwortlichen werden also tendenziell versuchen, im Rahmen der vorgegebenen Grenzen zu bleiben, sofern sie nicht gute (und nach oben auch vertretbare) Gründe für eine Überschreitung vorweisen können – aber eben auch nicht weniger: Sie werden nämlich auch stets versuchen, die ihnen vorgegebenen Grenzen nicht zu unterschreiten. Täten sie dies, müßten sie nämlich, so die übliche und gewiß nicht ganz unberechtigte Befürchtung, in der nächsten Planperiode mit Kürzungen rechnen.

Kein Anreiz zum Sparen

Um solche drohenden Kürzungen zu vermeiden, werden also vorgegebene Grenzen immer möglichst vollständig ausgeschöpft, d.h. es besteht niemals ein Anreiz zum Sparen. Es besteht aber während der Budgetperiode permanent die Befürchtung, durch künftige, noch unvorhersehbare Ereignisse innerhalb der gleichen Planperiode größere Ausgaben tätigen zu müssen und dadurch möglicherweise die vorgegebenen Haushaltsgrenzen zu überschreiten. Es wird also nur innerhalb der Planperiode gespart, nicht aber insgesamt über die ganze Periode. Es wird immer nur der eigene Plan gesehen, nie aber das große Ganze.

Das Dezemberfieber

Dies führt zu einer Verhaltensweise, die als „Dezemberfieber“ bekannt ist: Während das ganze Jahr über nie Mittel für irgendwelche zusätzlichen Ausgaben vorhanden sind, und stets maximaler Geiz herrscht, müssen die gegen Ende des Jahres noch unverbrauchten Mittel unbedingt vor Periodenende noch ausgegeben werden, um drohende Budgetkürzungen in der Folgeperiode zu vermeiden. Kurz vor Weihnachten sind einstmals knauserige Budgetverantwortliche also plötzlich unerwartet freigiebig. Sie hauen raus, was sie haben, um nicht in der Zukunft zum Ziel von Sparmaßnahmen zu werden. Die Mittelallokation ist damit also offensichtlich in zweifacher Hinsicht suboptimal: Wurden während des Jahres eigentlich notwendige Ausgaben aus Sparsamkeitsgründen unterlassen, so werden gegen Ende der Periode Ausgaben vorgezogen und ausgeweitet. Es kommt also sowohl zeitlich als auch inhaltlich zu einer „Verzerrung“ der Ausgabepolitik. Die innerorganisatorischen Machtstrukturen verzerren damit die der Gesamtorganisation mögliche Zielerreichung.

Nicht nur beim Staat

Die hier skizzierte Verhaltensweise ist insbesondere für öffentliche Haushalte charakteristisch, da hier meist Jahresbudgets in der Gestalt staatlicher Haushaltspläne bestehen, die nur durch einen schwerfälligen und zankträchtigen parlamentarischen Prozeß verändert werden können. Sie sind damit besonders starr. Leider ist diese Verhaltensweise aber auch bei Unternehmen zu beobachten, und zwar um so mehr, je größer die organisatorische und menschliche Distanz zwischen Führungsebene und ausführender Ebene ist. Hat die Führungsebene nämlich den Kontakt zur innerbetrieblichen Realität verloren, so haben die Budgetverantwortlichen meist Angst, Sonderanträge zu stellen oder Budgetabweichungen zu begründen – und verhalten sich wie hier geschildert.

Die Ätiologie der Budgetplanung

Nicht nur glänzende Kinderaugen beflügeln das Weihnachtsgeschäft, auch graugesichtige Finanzvorstände tun es, wenngleich auch aus einem ganz anderen Grund. Die Ätiologie ist die Lehre von den Krankheitsursachen, und nichtoptimale Faktorallokationen sind eine volkswirtschftliche Krankheit, für die wir hier eine Ursache in einem nichtoptimalen Management-Modell gefunden haben. Im nächsten Beitrag an dieser Stelle werden wir untersuchen, was man als Gegenmittel empfehlen kann. Nur eines vorweg: die Antwort wird recht, eh, unerwartet ausfallen.

Quellen:

Bildnachweise: © Smileus/Fotolia.com

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Über den Autor

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Lars E.

Lars schloss 2015 sein Studium in Betriebswirtschaftslehre ab. Anschließend absolvierte er ein Volontariat in einer kleinen Kölner Redaktion. Seit 2017 ist er fester Bestandteil des Redaktionsteams von betriebsausgabe.de. Hier kann er sein fachliches Wissen mit dem Anspruch, verständliche Texte rund ums Steuerrecht zu schreiben, miteinander kombinieren.

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